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Prozessmanagement ohne Veränderungsauftrag ist frustrierend. In einem aktuellen Trainingsprojekt bestätigte sich diese Beobachtung. Dort lernte ich ein Prozessmanagement-Team kennen, das seit Jahren an der Modellierung von IT-Betriebsprozessen arbeitet. Die Fortschritte sind sehr zäh, und die Prozesse spielen im echten Leben überhaupt keine Rolle. Im Prozessmodell stehen Prozessverantwortliche, die längst im Ruhestand sind. Und die Frustration des Projektteams ist beinahe mit Händen zu greifen. Macht es hier überhaupt Sinn, Prozessmodellierung mit BPMN 2.0 zu trainieren? Das war eigentlich mein Auftrag. Wie aber kann man eine Modellierungskonvention erstellen, wenn der Zweck der Prozessmodelle nicht klar ist?

BPM braucht einen klaren Auftrag

Im ursprünglichen Auftrag an die Projektgruppe stand: „Ein Prozessmodell für die IT-Prozesse ist erstellt und wird gepflegt.“ So oder ähnlich sind viele Aufträge an BPM-Teams formuliert – und hier liegt der Hase im Pfeffer: Das Prozessmodell wird zum Selbstzweck. Egal was drinsteht – Hauptsache es gibt ein freigegebenes Modell. Kein Wunder, wenn ich für das Prozessmanagement keine Katze hinter dem Ofen hervorlocke.

Der Kittel brennt, keine Zeit für Prozesse!

Dabei gibt es in der Organisation genügend Gründe, die IT-Betriebsprozesse zu verbessern: Während unseres Trainings kamen mehrfach Meldungen über den Ausfall zentraler Applikationen. Der Kittel brennt, aber niemand sieht den Zusammenhang zum Prozessmanagement. „Wir haben keine Zeit für eure Prozesse, wir müssen uns um die Performance kümmern.“ Im Rechenzentrum der Organisation gibt es eine ITIL-Initiative, aber auch wird kein Zusammenhang zum Prozessprojekt hergestellt.

So geht es zahlreichen BPM-Projekten. Der Kern ist ein fehlender Auftrag an das Prozessmanagement: Wirksame Projekte haben den Auftrag, die Arbeit in der Organisation zu verändern. Prozessmanagement ist das Instrument – nicht der Zweck. Für das genannte Projekt müsste also der Auftrag lauten: „Sorgen Sie für zuverlässige Services in der IT.“

Interventionen unterbrechen Muster

Wenn die Organisation zuverlässigen Service liefern will, muss sie lernen, wichtige Abläufe berechenbar auszuführen. Die richtigen Prozesse sind schnell definiert. Sie dann einzuhalten ist das eigentliche Problem. Und dazu hilft es auch nicht, über angebliche „Führungsschwäche“ der Manager zu klagen. Ein BPM-Projekt muss herausarbeiten, welche Kommunikationsmuster dazu führen, dass Leute sich nicht an die gegebenen Prozesse halten. Wir brauchen geeignete Interventionen, diese Muster zu unterbrechen und neue zu etablieren, die die Prozesse stabilisieren. Wenn der Auftrag lautet, die Zuverlässigkeit der Organisation zu verbessern, arbeiten die verschiedenen Projekte wirksam zusammen. Ohne den gemeinsamen Auftrag produzieren Projekte nur Berichte.

Worauf BPM-Projektteams achten sollten:

Wenn Sie als BPM-Team einen Projektauftrag in Ihrer Organisation übernehmen, achten Sie darauf, dass Sie an einem klaren Verbesserungsziel gemessen werden.

Organisationen neigen zu unscharfen Aufträgen: „Die Mitarbeiter wissen, wie die Prozesse laufen und die Zuständigkeiten sind klar geregelt.“ Dieser Auftrag klingt konkret, ist aber so belastbar wie eine Seifenblase: Vom Wissen um geregelte Prozesse und von klaren Zuständigkeiten ändert sich nämlich in einer Organisation gar nichts. Ein Projektauftrag für ein BPM-Projekt braucht klare Beobachtungskriterien für den Projekterfolg: Was sieht der Kunde, wenn das Projekt erfolgreich ist, was sieht der Lieferant, was sieht der Controller, der Eigentümer, die Öffentlichkeit? Welche Marktbeziehung funktioniert besser, wenn es gute Prozesse gibt? Woran ist das zu erkennen?

Der Projektauftrag verhindert, dass Sie Prozesse für die Ablage modellieren. Er hilft Ihnen, Veränderungsbedarf tatsächlich in die Kommunikation zu bringen. Und schließlich ist der Projektauftrag das Kriterium bei der Entscheidung über die „Flughöhe“ der Modellierung und die Ausgestaltung des Prozessmodells.

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