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Zur Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist das Software-Angebot noch dünn. Einige Anbieter von Dokumenten-Management-Systemen (DMS) nehmen den Mund recht voll und verkünden, ihr System würde Prozesse digitalisieren. Damit versprechen sie zu viel.

Fast alle DMS-Angebote enthalten eine „Workflow“-Komponente: Sobald ein Dokument eines definierten Typs (z.B. „Rechnung“) eintrifft, startet das System eine kleine Abfolge von Aufgaben verschiedener Bearbeiter (um zum Beispiel die Rechnung zu prüfen). Das kann ein nützliches Hilfsmittel sein – für digitale Prozesse reicht dieses Konzept nicht. Allein wenn ein Vorgang nicht nur aus einem Dokument besteht sondern Beziehungen zwischen verschiedenen Papieren und Akten herzustellen sind, kommt man mit einfachen Workflows nicht weiter. Dann hilft wieder nur (teure) Individualprogrammierung.

DMS-Anwendungen sind auf Dokumente ausgerichtet, nicht auf Prozesse. Solange ein Prozess darin besteht, ein Dokument durchs Haus zu führen, kommt man mit diesem Konzept weiter. Digitale Prozesse enthalten aber viel mehr: Da sind Entscheidungen zu treffen, Daten zwischen Applikationen auszutauschen, parallele oder alternative Prozesspfade zu gehen, einzelne Aktivitäten oder ganze Sequenzen mehrfach auszuführen und so weiter. Die Grenze einfacher „Workflows“ in DMS-Angeboten ist sehr schnell erreicht. Jenseits dieser Grenze werden die Projekte hochkomplex und teuer.

Es gibt Konzepte zur Vereinfachung des digitalen Prozesses, sodass ein DMS die Arbeit gut unterstützen kann. Hier bleibt aber viel Entscheidungs- und Prozesslogik auf der analogen Seite – im Gedächtnis der Bearbeiter. Das ist oft besser als die vollständig analoge Arbeit mit Stapeln von Papier und „handbetriebener“ Textverarbeitung – aber der Hebel zur Effizienzsteigerung ist begrenzt.

Digitale Geschäftsprozesse rufen nach einer Process-Engine. Diese Applikation steuert den Prozess entsprechend der modellierten Prozess-Logik und kommuniziert mit allen Fachanwendungen zum Austausch von Daten. Das Dokumenten-Management-System wird in dieser Architektur zu einem von mehreren „Satelliten“ der Prozess-Engine und ordnet sich in die Prozess-Logik ähnlich wie das ERP- oder das CRM-System ein. Die von den einzelnen Systemen mitgelieferten Workflow-Kompnenten sind dabei überflüssig.

Wer vor der Entscheidung zum Einsatz eines Dokumenten-Management-Systems steht, sollte daher die angebotenen Workflow-Komponenten der Anbieter nicht zu hoch bewerten. Ihr Einsatz ist sehr begrenzt und sie werden überflüssig, wenn man echte digitale Prozesse realisiert. Einzelne Anbieter von DMS haben diesen Trend verstanden und beginnen damit, statt der begrenzten proprietären Workflow-Bausteine in ihren Systemen echte Process-Engines einzubinden.

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